Forschungsinfrastruktur und Reiseberichtsedition

Digitale Editionen historischer Reiseberichte schöpfen die Möglichkeiten von e-Research-Technologien bisher kaum aus. Das gilt insbesondere beim Einsatz digitaler Editionen als Datengrundlage für die weiterführende Analyse und Visualisierung historischer Reisen. Das Projekt will deshalb die von Forschungsfragen geleitete Nachnutzung von digitalen Reiseberichtseditionen ermöglichen. Die grund­legende Voraussetzung dafür ist eine ,semantische‘ Edition jenseits von Papiersimulation (mit dem Hypertext-Visionär Ted Nelson gesprochen). Das Hauptziel des Projekts ist daher der Aufbau einer modularen und erweiterbaren elektronischen Forschungsinfrastruktur zur Transkription und kritischen Edition historischer Reiseberichte inkl. relevanter Forschungsdaten zur Kontextualisierung der Reisen mit Semantic Web- und Linked Data-Technologie. Dadurch sollen neue Analyse- und Visualisierungs­ansätze zur Erforschung des historischen Reisens unterstützt werden. Als Fallstudie dafür dient im Projekt der bisher unveröffentlichte Bericht von Franz Xaver Bronner über seine Reise aus Aarau in der Schweiz nach Kazan‘ an der Wolga im Jahr 1810 und die Rückreise von dort im Jahr 1817. Neben der digitalen Edition des Bronner-Manuskripts werden außerdem ausgewählte, bereits digitalisierte und ursprünglich in Buchform veröffentlichte Reiseberichte zu semantischen Editionen aufbereitet. Mit exemplarischen Analysen und Visualisierungen anhand der semantischen Reiseberichtseditionen wird der Mehrwehrt für die geschichtswissenschaftliche Forschung demonstriert. Dafür werden relevante zusätzliche Quellen (z. B. Postroutenkarten und historische Stadtplane) aufbereitet und als Linked Data in den Datenbestand der Forschungsinfrastruktur integriert. Als zentrale Ergebnisse des Pro­jekts entstehen neuartige Ontologie-Entwurfsmuster für Reiseberichte und Reiserouten. Dazu gehört insbesondere ein neues Annotationsschema zur Verknüpfung von ausgezeichneten Textstellen und zugehörigen Datenbankeintragen. Außerdem werden semiotisch fundierte Visualisierungskonzepte für historische Reisen geliefert. Um die Ziele zu erreichen, verwenden wir Open Source-Komponenten für die elektronische Forschungsinfrastruktur und etablierte Standards wie TEI bzw. DTABf-M und DTABf zur Auszeichnung historischer Reiseberichte und CIDOC CRM mit CRMgeo zur ontologie­basierten Modellierung von Reiseereignissen und Reiserouten. Als Komponenten werden existierende Modellierungs- und Annotationswerkzeuge angepasst und weiterentwickelt, die Semantic Web- und Linked Data-Technologie unterstützen und somit modular in die e-Research-Infrastruktur eingebun­den werden können. Die Möglichkeiten zur Analyse und Visualisierung auf Basis der semantisch aufbereiteten Reiseberichte werden in einem Abschluss-Workshop mit Teilnehmern aus Geschichts­wissenschaft, Digital und Computational History, Geoinformatik und Geoinformationswissenschaft sowie Informationsvisualisierung ausgelotet.